Geisterstadt aus 700 Mini-Schlössern: Ein Immobilienfiasko der Extraklasse
Darum wurden diese halbfertigen Luxusvillen aufgegeben

Das Urlaubsresort Burj Al Babas in der Türkei versprach einer kaufkräftigen Kundschaft edle, europäisch anmutende Schlösser und höchsten Komfort. Doch was ein Traumprojekt hätte werden sollen, wurde schon bald zum Albtraum. Mehr als zehn Jahre nach Baubeginn liegt das Gelände brach – ohne Hoffnung auf Rettung.
Machen Sie mit uns einen virtuellen Rundgang durch die gespenstische Stadt in der türkischen Provinz Bolu, in der Märchenvillen in einem Meer aus Bauschutt leer stehen.
Adaptiert von Barbara Geier und Rebecca Andel
Aufgegeben und verlassen

Burj Al Babas liegt abgeschieden in den Hügeln der nordwestlichen Türkei, nahe der Stadt Mudurnu, die für ihre byzantinische und osmanische Architektur bekannt ist. Von den Einheimischen wurde der ungewöhnliche Luxus-Wohnkomplex mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Während der Bürgermeister von Mudurnu das Projekt ohne Vorbehalte unterstützte, waren andere der Meinung, dass die Villen im Stil europäisch inspirierter Mini-Schlösser mit der traditionellen Architektur vor Ort kollidierten.
Trotz der märchenhaften Idee hat die Geschichte dieser verlassenen Siedlung bisher kein Happy End gefunden und das verlassene Areal ist ein durch und durch unheimlicher Anblick.
Vom Traum zum finanziellen Desaster

Die identischen Villen mit ihren Türmchen stehen streng in Reih und Glied. Statt einer belebten Neusiedlung mit wohlhabenden Bewohnern ist eine surreale Geisterstadt entstanden, die den Launen der Natur ausgeliefert ist.
Aber wie begann die Geschichte dieser Märchen-Immobilien? Wir blättern zurück und entdecken ehrgeizige Ambitionen, Kontroversen und Riesenverluste …
Französisch inspiriert

Hinter dem Projekt steht die Sarot Property Group, ein Immobilienunternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Firma erwarb ein etwa hundert Hektar großes Grundstück in der türkischen Provinz Bolu im Nordwesten des Landes – mit großen Plänen:
Man stellte sich ein charmantes Spa-Resort mit 732 Villen vor, die angeblich vom Château de Chenonceau im französischen Loire-Tal (im Bild) und dem kegelförmigen Galata-Turm in Istanbul inspiriert waren. Die Bauarbeiten an dem Projekt, dessen Wert mit über 180 Millionen beziffert wird, starteten 2014.
Zielgruppe: Käufer aus der Golfregion

Die Sarot-Gruppe, die von den Brüdern Mezher und Mehmet Yerdelen und ihrem Geschäftspartner Bülent Yilmaz geleitet wird, umwarb ihren Zielmarkt – wohlhabende Touristen aus der Golfregion – mit einer vielversprechenden Hochglanz-Broschüre.
Die Gegend rund um Burj Al Babas ist seit Langem bei Gästen aus der Golfregion beliebt, die von dem angenehmen Klima, der grünen Landschaft und den ruhigen Kurorten angelockt werden.
Das gab dem Projekt einen arabischen Namen – „Burj“ bedeutet „Turm“ oder „Türmchen“, während „Al Babas“ auf eine Thermalquelle in der Region anspielt.
Mega-Freizeitkomplex

Im Mittelpunkt der Anlage sollte ein weitläufiger Freizeitkomplex in einem neoklassizistischen Gebäude stehen. Für dessen architektonische Details bediente man sich am US-Kapitol, dem Petersdom in Rom und der Londoner St. Paul's Cathedral.
Die Entwickler planten, die lokalen Thermalquellen in eine Bad- und Saunalandschaft mit einem Aquapark, Schwimmbädern, türkischen Bädern, Saunen und Dampfbädern zu integrieren. Auch bei der nachhaltigen Beheizung des Freizeitkomplexes sollten sie zur Verwendung kommen.
Teure Luxusausstattung

Bei der Innenausstattung des Komplexes wären keine Kosten gescheut worden. Diese Computerdarstellung eines Pools unter einer der Gebäudekuppeln zeigt teuren Marmor so weit das Auge reicht.
Abgesehen von den Spa-Einrichtungen sollte der Freizeitkomplex Boutiquen, Restaurants, Kinos, Kinderspielplätze, Konferenz- und Tagungsräume sowie Fitness- und Schönheitszentren und mehrere Indoor-Fußballplätze beherbergen.
Villen im Märchenschloss-Format

Die geplanten 732 Villen wurden in einem Stil entworfen, der dem Märchenbuch entsprungen zu sein scheint. Laut dem Architekten, der dem Projekt beratend zur Seite stand, war das von den Kunden aus dem arabischen Raum so gewünscht.
Das Ergebnis dieser Vorstellungen sind Häuser mit Disneyschloss-Türmchen, Mansardendächern, Gauben, Balkonen mit Steinbalustraden und vielen anderen extravagante Details.
Prunkvolle Räume

Im Inneren sollten die Märchen-Villen nicht weniger opulent werden. Die hohen Räume waren mit kunstvollen Stuckarbeiten, Parkettböden und anderen edlen Details geplant. Für jedes Haus waren eine große Wendeltreppe und eine Dachterrasse vorgesehen.
Ausstattung vom Feinsten

Den zukünftigen Bewohnern der Villen-Schlösschen hätte zudem auf jedem Stockwerk ein Whirlpool mit dem lokalen Thermalwasser zur Verfügung gestanden sowie optional ein Innenpool sowie ein Aufzug.
Nach dem Baubeginn begann die Sarot Property Group, ihr ehrgeiziges Projekt von einem Büro in Kuwait aus zu vermarkten – mit Villenpreisen von rund 339.000 bis 458.000 Euro.
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Widerstand vor Ort

Gleichzeitig wuchs vor Ort der Widerstand gegen das kontroverse Bauvorhaben. Während der damalige Bürgermeister von Mudurnu, Mehmet İnegöl, angeblich zu 100 Prozent hinter dem Projekt stand, kritisierten andere Gemeindemitglieder das Vorhaben mit dem Argument, dass die völlig unpassenden Mini-Schlösser die Gegend verschandeln würden.
Mudurnu selbst geht auf die Römerzeit zurück und steht seit 2015 auf der Vorschlagsliste für das UNESCO-Weltkulturerbe.
Voranschreitende Bauarbeiten

Die türkische Regierung hat inzwischen Vorschriften erlassen, um die historische Integrität der Städte und Dörfer des Landes zu schützen und ähnliche Bauprojekte zu verhindern.
Die Vorschriften traten jedoch erst in Kraft, nachdem die Arbeiten an Burj Al Babas bereits begonnen hatten, und so wurde der Bau ungehindert fortgesetzt. Zeitweise waren bis zu 8.000 Bauarbeiter vor Ort.
Strafanzeige gegen die Bauherren

2019 berichtete die englischsprachige Ausgabe der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ von einer Strafanzeige, die bereits 2015 gegen die Sarot-Gruppe gestellt worden war. Den Bauherren wurde vorgeworfen, 82 Schwarzkiefern und Eichen gefällt und Bauschutt im Wald abgelagert zu haben – mehr als genug, um die sowieso schon erzürnten Einwohner von Mudurnu noch mehr auf die Palme zu bringen.
Anfängliche Verkaufserfolge

In der Anfangsphase riss sich die Kundschaft förmlich um die Märchenschlösser. Aus finanzieller Sicht sah es für das Projekt rosig aus.
Gut betuchte Käufer aus Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar und Saudi-Arabien standen Schlange, um in das Projekt zu investieren und sich ihr eigenes Schlösschen im französischen Stil zu sichern. Doch die Situation sollte sich ändern ...
Wirtschaftlicher Abschwung

Die Wirtschaftslage in der Türkei verschlechterte sich und die sinkenden Ölpreise trafen den Zielmarkt des Bauträgers hart. Die Verkaufszahlen gerieten ins Stocken – dennoch gingen die Bauarbeiten weiter.
Bis zum Sommer 2018 waren 587 der Mini-Schlösser mehr oder weniger fertiggestellt, allerdings waren nur etwa 350 verkauft worden.
Zahlungsunfähige Kundschaft

Zu den Geldsorgen des Bauträgers kam, dass ein Großteil der Käufer offenbar Schwierigkeiten mit dem Bezahlen hatte.
Da die Schuldenlast der Sarot-Gruppe auf umgerechnet mehr als 24 Millionen Euro anstieg, mussten die verbleibenden Schlösschen schnellstens verkauft werden. Dafür wurden Mustervillen fertiggestellt, die jedoch um einiges einfacher ausgestattet waren als die in den Prospekten angepriesenen. Die Käufer blieben weiterhin aus.
Von „fast fertig“ …

Noch im April 2018 behaupteten die Bauherren in einem Instragram-Post, dass sich das Projekt in der „Endphase“ befinde und die Villen „zu 90 Prozent fertiggestellt“ seien. Doch nur zwei Monate später beantragte die Sarot-Gruppe im Juni 2018 eine Art Schuldenbereinigungsverfahren, um einen Teil ihrer Schulden zurückzuzahlen, die Gläubiger zu besänftigen und einen Konkurs abzuwenden.
… zu Bankrott

Berichten zufolge hatte das Unternehmen drei Monate Zeit, um seine Schulden gemäß der Vereinbarung zu begleichen. Innerhalb der Frist tat sich allerdings nichts, sodass die Sarot-Gruppe eine Genehmigung zur Umstrukturierung der ausstehenden Schulden beantragte.
Das Insolvenzgericht lehnte dies jedoch ab und ordnete im November 2018 stattdessen die Einleitung eines Konkursverfahrens an. Die Bauarbeiten wurden eingestellt.
Die Bauherren geben nicht auf

Die Sarot-Gruppe versuchte allerdings weiter, das Projekt zu retten und sprach von „nur“ weiteren 100 Villen, die zur Begleichung der Schulden verkauft werden müssten.
Im November 2018 bezifferte der Sarot-Chef Mehmet Emin Yerdelen den Wert des Gesamtprojekts mit rund 183 Millionen Euro und hielt sowohl eine Überwindung der Krise innerhalb von vier bis fünf Monaten als auch eine Teileröffnung von Burj Al Babas im Folgejahr für möglich.
Verlassene Geisterstadt

Viel passiert ist seit Yerdelens hoffnungsvollen Äußerungen nicht. Stattdessen ist Burj Al Babas mittlerweile zu einer verlassenen Geisterstadt geworden. Das Insolvenzgericht erlaubte der Sarot-Gruppe letztendlich zwar, die fertiggestellten Mini-Schlösser weiter zu vermarkten. Faktisch lag das Projekt jedoch auf Eis.
Ausländische Immobilieninvestoren

2018 startete die türkische Regierung einen Versuch, ausländische Immobilieninvestoren anzulocken und den schwächelnden Markt anzukurbeln. Dafür wurde die Mindestinvestition in Immobilien, die Ausländer zur Erlangung der Staatsbürgerschaft tätigen müssen, von umgerechnet rund 915.000 Euro auf etwa 229.000 Euro gesenkt. Burj Al Babas blieb trotzdem ein Flop.
Fehlende Privatsphäre

Möglicherweise hat die Anordnung der Mini-Schlösser Käufer abgeschreckt? Zwar hat jede der Villen einen kleinen Garten, doch die Häuser stehen so dicht gedrängt, dass Privatsphäre Fehlanzeige ist.
Hoffnungsfrohe Makler, enttäuschte Käufer

Während die „New York Times“ 2019 einen Immobilienmakler aus Kuwait zitierte, der weiterhin vom letztendlichen Erfolg Burj Al Babas überzeugt war, sah es kundenseitig anders aus. Die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ berichtete im selben Jahr von enttäuschten Käufern. Einer habe 2013 Zahlungen für ein (angeblich) einzugsfertiges Gebäude im Jahr 2015 entrichtet, ein anderer forderte die Rückerstattung seines Geldes.
Weiterführung der Bauarbeiten …

Im November 2019 schien sich das Blatt für Burj Al Babas zu wenden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Sarot-Gruppe 50 Prozent ihrer Schulden beglichen und konnte das Gericht davon überzeugen, den Konkursbeschluss aufzuheben.
Der Bau der verbleibenden Villen wurde wieder aufgenommen.
… und erneuter Stopp

Die Bauarbeiten wurden über den Winter wegen schlechter Wetterbedingungen allerdings erneut gestoppt – und dann brach die Corona-Pandemie aus, was zu weiteren Verzögerungen führte.
Dennoch hatte Burj Al Babas in den letzten Jahren viele Besucher, denn die verlassenen Schlösschen haben sich zu einer Kultattraktion entwickelt.
Künstlerische Projekte

Im Februar 2020 drehte der französische Konzeptdesigner und Regisseur Alexandre Humbert einen Kurzfilm in Burj Al Babas. In einer kreativen Uminterpretation machte er die Geisterstadt zu einem Themenpark namens „Sleeping Beauties“, den Menschen gegen Eintrittsgeld besuchen, um die leeren Villen zu fotografieren.
Im Herbst desselben Jahres drehte die italienische Musikgruppe Meduza ein Musikvideo und machte sich dabei die postapokalyptische Atmosphäre des Ortes zunutze.
Urbex-Hotspot

Auch unter Fans des Urban Exploring – kurz „Urbex“ – ist der Ort beliebt. Im Dezember 2020 drehte Mike Corey, Vlogger und Moderator der BBC-Sendung „The Travel Show“, ein Video in der Geisterstadt. Auf seinem YouTube-Kanal „Fearless & Far“ erzielte er damit mehr als 2,4 Millionen Aufrufe.
Fertigstellung weiter geplant

Die jüngsten Bilder – wie dieses vom Februar 2022 – zeigen Burj Al Babas weiterhin in seinem unvollendeten Zustand. Vor einem der Mini-Schlösser scheint eine wenig stabil erscheinende Stromleitung zu verlaufen und drumherum liegen verlassene Baumaterialien.
Vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatten die Bosse der Sarot-Gruppe eine Fertigstellung des Projekts bis 2021 versprochen. Dieses ehrgeizige Ziel wurde offensichtlich nicht eingehalten.
Neue Bauherren

Wie die US-Reiseplattform Atlas Obscura berichtete, wurde Burj Al Babas 2021 von der in Hongkong ansässigen Investmentgesellschaft Nova Group Holdings übernommen. Das Unternehmen bestätigte damals, dass es das Projekt weiterführen und sich aktiv um Kunden in den Golfstaaten bemühen werde.
Anhaltender Baustopp

Nach diesem Google-Earth-Bild vom 27. September 2023 zu urteilen, befindet sich die Baustelle aber weiterhin in einem ähnlich verlassenen Zustand wie zuvor. Aus der Vogelperspektive wird das riesige Ausmaß des Komplexes besonders deutlich.
Ungewisse Zukunft

Angesichts der ruhenden Baustelle und der jüngsten Bilder des Bauprojekts scheinen die neuen Eigentümer von Burj Al Babas nicht wirklich Interesse an der Wiederbelebung des Projekts zu haben – und ob diese unglückselige Märchenstadt jemals ihr Happy End bekommt, bleibt abzuwarten …
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