Umstrittenes Megaprojekt in der Wüste steht vor ungewisser Zukunft
Neom: Die XXL-Stadt von morgen in Saudi-Arabien

In der Wüste Saudi-Arabiens entsteht ein Stadtentwicklungsprojekt, das wie Science-Fiction klingt: Neom. Die geschätzten Kosten für das Megaprojekt, das ein Gebiet fast so groß wie Belgien umfasst, belaufen sich auf rund 460 Milliarden Euro. Zu den zehn futuristischen Bereichen, die im Rahmen der Zukunftsvision entstehen sollen, gehört auch The Line (im Bild), eine spektakuläre Bandstadt für neun Millionen Einwohner.
Aber ist Neom wirklich eine „ökologische und moralische Gräueltat“, wie es die renommierte Architekturplattform Dezeen beschreibt? Oder doch eine Öko-Oase?
Warum das Großprojekt so umstritten ist und ob es überhaupt fertiggestellt werden kann, das erfahren Sie hier.
(Alle Fremdwährungen wurden in Euro umgerechnet.)
Adaptiert von Barbara Geier
Vorhang auf für Neom

Neom wurde im Oktober 2017 mit großem Tamtam auf der Future-Investment-Initiative-Konferenz in Riad vorgestellt.
Das angeblich kohlenstoffneutrale Megaprojekt ist Teil einer großen Diversifizierungsinitiative der saudischen Wirtschaft, in deren Mittelpunkt die Abkehr von der Erdölproduktion steht. Aktuell ist dieser Wirtschaftszweig noch für den Löwenanteil der Exporte und Staatseinnahmen verantwortlich – und Kronprinz Mohammed bin Salman, der das Neom-Projekt maßgeblich vorantreibt, möchte das ändern.
Zukunftsvision für Saudi-Arabien

Der weitreichende Plan, mit dem das Land unabhängiger vom Öl werden soll, brachte auch Sozialreformen zur Modernisierung der Gesellschaft mit sich, zum Beispiel mehr Rechte für Frauen. Das Projekt hat außerdem die Wirtschaft des konservativen Landes geöffnet und ausländische Investoren angezogen.
Auf Basis einer Reihe von Megaprojekten soll das Programm einer Reihe von potenziell lukrativen Sektoren weiterentwickeln, wie z. B. Tourismus, erneuerbare Energien, Sport, Unterhaltung und Hightech. Neom ist in diesem Kontext ein Vorzeigeprojekt.
Was bedeutet der Name Neom?

Der Name des Projekts kommt nicht von ungefähr: Er wurde vom Verwaltungsrat aus einer Liste von 150 Möglichkeiten ausgewählt, die wiederum auf Basis von 2.000 Experten-Vorschlägen erstellt worden war.
Neom ist ein Kofferwort und soll so viel wie „neue Zukunft“ bedeuten: Die ersten drei Buchstaben sind die altgriechische Vorsilbe „neo“ („neu“) und das „m“ steht für den ersten Buchstaben des arabischen Worts für „Zukunft“ („mustaqbal“). Abgesehen davon, dass es praktischerweise auch der erste Buchstabe des Vornamen des Kronprinzen ist.
Unabhängiger Staat

Neom soll als unabhängiger Staat fungieren, der außerhalb des konservativen saudischen Staates agiert. Abgesehen von eigenen Steuer- und Arbeitsgesetzen, einer eigenen Wirtschaftszone und einem eigenen Rechtssystem soll es sogar seine eigene Fluggesellschaft haben.
Die saudische Regierung will eine scheinbar liberale Utopie schaffen, die globale Eliten und – noch wichtiger – deren Investitionsgelder anzieht.
Finanzierung

Die Finanzierung des rund 460-Milliarden-Euro-Projekts ist komplex. Etwa die Hälfte der knapp 295 Milliarden Euro, die für die erste Projektphase (Abschluss bis 2030) benötigt werden, stellt der saudi-arabische Public Investment Fund bereit. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Gelder, die das Land mit dem Export fossiler Brennstoffe verdient hat.
Der Rest der Mittel soll durch den für dieses Jahr geplanten Börsengang von Neom sowie durch andere Staatsfonds im Nahen Osten und internationale Investoren aufgebracht werden. Ausländische Investitionen sind dabei für den Erfolg des Megaprojekts und für den „Saudi Vision 2030“-Plan insgesamt von entscheidender Bedeutung.
Namhafte Projektpartner

Um die Glaubwürdigkeit des Megaprojekts zu erhöhen, nimmt die saudische Regierung viel Geld in die Hand und hat internationale Top-Namen mit der Planung und Realisierung von Neom beauftragt. Neben bekannten Ingenieursfirmen arbeiten einige der weltweit führenden Architekturbüros an der Stadtentwicklung, darunter Zaha Hahid Architects (Großbritannien), BIG (Dänemark) und Morphosis (USA). Für die beeindruckenden Computergrafiken wurden sogar Hollywood-Designer engagiert, wie Olivier Pron („Guardians of the Galaxy“) und Nathan Crowley („The Dark Knight“).
Die zehn Regionen

Neom besteht aus zehn Regionen bzw. Bereichen, die sich über unglaubliche 26.500 Quadratkilometer in der Provinz Tabuk im Nordwesten Saudi-Arabiens erstrecken sollen. Das Gebiet grenzt an das Rote Meer und den Golf von Akaba und ist fast so groß wie Belgien.
Zu den vorgesehenen Regionen gehören eine Insel als Strandurlaubsziel, ein Skigebiet in den Bergen, eine schwimmende Industriehafenstadt, ein „ultraluxuriöser, auf dem Kopf stehender Wolkenkratzer“ und die bereits erwähnte lineare Stadt „The Line“, die wohl der ehrgeizigste und teuerste Teil des Projekts ist. Laut Marketingmaterialien werden alle Projektteile ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben und sind auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet. Genau das darf allerdings bezweifelt werden. Doch bevor wir dazu kommen, schauen wir uns erst einmal die zehn Regionen genauer an.
Sindalah

Sindalah, eine künstliche Insel, soll als erste aller Regionen noch dieses Jahr fertiggestellt und eröffnet werden. Bis 2028 werden dort täglich 2.400 Besucher erwartet.
Die Insel in Form eines Seepferdchens liegt im Roten Meer und steht ganz im Zeichen von Luxus. Entworfen wurde das 371.612 Quadratmeter große Eiland von dem italienischen Jachtdesignstudio Luca Dini Design and Architecture als eine globale Anlaufstelle für Superjachten.
Neben einem Jachthafen und -club befinden sich u. a. drei schicke Hotels, ein Neun-Loch-Golfplatz, ein Wellness-Center, ein Sportkomplex mit einem olympischen Pool, Luxusläden und Gourmet-Restaurants auf der Insel. Alles, was die internationale Superjacht-Gemeinde eben so braucht.
Trojena

Mit Trojena geht es weg vom Meer in die Berge. Die Eröffnung des alpinen Resorts in den Sarawat-Bergen der Tabuk-Provinz ist für Ende 2026 geplant, also rechtzeitig zu den Asiatischen Winterspielen, die 2029 dort stattfinden werden.
Trojena wird das erste Outdoor-Skigebiet in der Golfregion sein – und das modernste der Welt. Zu der Region, die Platz für 7.000 dauerhaft dort lebende Bewohner und 700.000 Besucher pro Jahr bieten soll, gehören ein künstlicher Süßwassersee und ein Skigebiet, das von dem deutschen Architekturbüro LAVA entworfen wurde sowie ein 330 Meter hoher „Dorfturm“, für den Zaha Hadid Architects verantwortlich zeichnet.
Etwa 75 Prozent des Schnees, der für die Allwetter-Skipisten des Resorts benötigt wird, soll maschinell hergestellt werden. Das soll laut Philip Gullett, dem Geschäftsführer von Trojena, so nachhaltig wie möglich passieren.
Oxagon

Oxagon soll als dritte Neom-Region bis 2030 vollständig in Betrieb sein. Das achteckige Gebilde an der Küste des Roten Meeres ist eine visionäre Industriestadt mit Hightech-Fabriken, Logistikanlagen und dem ersten Hafen mit vollständig integriertem Lieferkettensystem, errichtet auf der größten schwimmenden Struktur der Welt.
Das von dem dänischen Architekturbüro BIG entworfene 48 Kilometer große Zukunftsprojekt soll ein Kreuzfahrtterminal, ein Meeresforschungszentrum, einen Innovationscampus und Wohngebiete am Wasser umfassen. Oxagon soll auch die weltweit größte Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff auf dem Planeten beherbergen.
Norlana

Norlana ist eine hochmoderne Wellness-Siedlung für 3.000 zahlungskräftige Bewohner an der Küste des Golfs von Akaba. Da sich das Projekt zurzeit noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, wurde noch kein Fertigstellungstermin bekannt gegeben.
Der Entwurf des in Hongkong ansässigen Architekturbüros 10 Design sieht Hunderte von Luxuswohnungen, Villen sowie zwei Hotels vor, die sich in die umliegende Landschaft einfügen. Dazu kommt passend zum Wellness-Thema ein erstklassiges Sportangebot mit einem Reit- und Polozentrum, einem 18-Loch-Golfplatz und einem Tennisclub. Wie die Insel Sindalah zielt Norlana mit einem Jachthafen und -club zudem auf die internationale Superjacht-Gemeinde ab.
Leyja

Mit Leyja haben sich die Neom-Macher das ultimative nachhaltige Reiseerlebnis auf die Fahne geschrieben: In einem unberührten Gebirgstal sind drei luxuriöse Boutique-Hotels mit jeweils 40 Zimmern geplant, die von den Superstar-Architekten Chris van Duijin, Shaun Killa und Mario Cucinella entworfen wurden.
Die Hotels aus Ökomaterialien werden so gestaltet, dass sie nahtlos mit ihrer Umgebung verschmelzen. 95 Prozent der Fläche von Leyja soll unangetastet bleiben, um die Ökologie des Tals zu erhalten.
Die zukünftigen Gäste werden dort Outdoor-Aktivitäten wie Wandern und Klettern nachgehen können. Eines der Hotels wird sich komplett dem Thema Wellness widmen. Wie bei Norlana gibt es auch für Leyja noch keinen Fertigstellungstermin.
Siranna

Die nächste Station ist die Erholungsregion Siranna an der Küste des Golfs von Akaba. Hier soll sich alles um das Thema Entspannung drehen.
Dafür wurde von dem internationalen Architektenbüro Woods Bagot ein Hotel mit 65 Zimmern entworfen. Das nachhaltige Gebäude wird nur auf dem Seeweg erreichbar sein und besteht aus sechseckigen Säulen, die an die Form der umliegenden Berge angelehnt sind. Gäste werden sich in einem Beach Club, Spas und anderen Wellness-Einrichtungen verwöhnen lassen können. Ab wann das möglich sein wird, ist allerdings noch nicht bekannt.
Epicon

Die Epicon-Region wird in den Wüstendünen am Golf von Akaba entstehen, mit zwei hyperfuturistischen Türmen, die über eine Plattform in der Mitte verbunden sind. Der Entwurf des Architektenbüros 10 Design gehört zu den auffälligsten und ungewöhnlichsten Strukturen, die für Neom geplant sind.
In den 275 Meter hohen Türmen sollen ein 41-Zimmer-Hotel und zahlreiche Luxuswohnungen Platz finden. Epicon bekommt zudem ein Strandresort mit einem 120-Zimmer-Hotel und 45 Villen. Fertigstellungstermin für all das: unbekannt.
Folgen Sie uns schon? Klicken Sie oben auf das Pluszeichen und lesen Sie mehr von loveMONEY
Utamo

Utamo ist der Name für ein „Theater der Zukunft“. Die spanischen Architekten von Ricardo Bofill Taller de Arquitectura haben dafür einen Veranstaltungsraum entworfen, der in einem Berg an der Küste liegt und zu dem man über eine multisensorische Gartenpromenade und eine Eingangshalle auf 64 Metern Höhe gelangt. So weit, so spektakulär. Auf dem Programm für das Publikum stehen immersive Unterhaltungs- und Kunsterlebnisse.
Das Hauptauditorium wird Platz für 2.600 Gäste bieten. Dazu kommen weitere Bühnen, VIP-Lounges und eine Reihe von Restaurants. Auch für dieses Teilprojekt fehlt bisher das Fertigstellungsdatum.
Aquellum

Aquellum dürfte das verrückteste und futuristischste Element des Neom-Projekts sein: Das von zwei Architektenbüros (LAVA, Name Architecture) entworfene Gebilde ist ein auf dem Kopf stehender Wolkenkratzer, der sich in einem ausgehöhlten, 450 Meter hohen Berg an der Küste des Golfs von Akaba befindet. Darin soll eine unterirdische digitale Community Platz finden, die in das Metaversum integriert ist und bei der sich alles um Kreativität dreht.
Besucher werden mit einem speziell entworfenen Schiff durch einen unterirdischen Kanal zu einem Unterwasser-Platz gebracht. Von dort aus gelangen sie an verschiedene Orte, wie ein Luxushotel und Apartments, Gourmet-Restaurants, Boutiquen, einen Dachgarten hoch oben in den Wolken und verschiedene „Innovationsräume“. Ein Fertigstellungstermin für das Projekt steht noch nicht fest.
The Line

The Line ist das bei weitem größte und ehrgeizigste Neom-Projekt. Es handelt sich dabei um eine Bandstadt – eine lineare, schmale Stadtanlage, die entlang einer U-Bahn-Strecke entsteht, auf der die Stadt steht. Die beiden Außenfassaden sind jeweils 500 Meter hoch und 200 Meter breit und erstrecken sich über eine unglaubliche Länge von 170 Kilometern.
Dieses extrem schmale und unglaublich hohe und lange Bauwerk, das u. a. von dem amerikanischen Architekturbüro Morphosis entworfen wurde, soll Platz für neun Millionen Menschen bieten. Alles, was man im täglichen Leben braucht, soll innerhalb von fünf Minuten zu Fuß erreichbar sein. Ausflüge in die Natur sind innerhalb von zwei Minuten möglich.
The Line

Bei der Gestaltung der Stadt, die in modularen Blöcken aufgebaut werden soll, wird mit Künstlicher Intelligenz (KI) gearbeitet. Für durchgängig gutes Wetter werden die Lufttemperatur und -feuchtigkeit in der schmalen Metropole künstlich kontrolliert. Neben intelligenter Technologie soll sie zudem mit einer Reihe von Innovationen ausgestattet werden, die es aktuell noch gar nicht gibt. Dazu gehören ein riesiger künstlicher Mond, fliegende Taxis, Roboterhaushilfen und ein Strand mit Sand, der im Dunklen leuchtet.
Straßen und Autos wird es nicht geben. Die Bewohner werden mit dem Fahrrad unterwegs sein – oder mit der ultraschnellen U-Bahn, mit der man in nur 20 Minuten von einem Ende der Stadt zum anderen gelangt. Theoretisch ist das tatsächlich möglich, allerdings befindet sich The Spine, wie die Bahn genannt wird, im Moment noch in der Planungsphase.
The Line

The Line soll vor allem nachhaltig sein. Die Stadt wird daher nicht nur autofrei sein, sondern auch ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Laut den Projektbetreibern wird die relativ kleine physische Fläche der Stadt nur minimale ökologische Auswirkungen haben.
Die Bauarbeiten auf dem Gelände sind bereits im Gange. Die Fertigstellung von The Line wird allerdings nicht vor frühestens 2039 erwartet. Der erste Stadtteil, genannt Hidden Marina (versteckter Hafen), soll bis 2030 fertiggestellt werden und ist das derzeit größte Pfahlkonstruktionsprojekt der Welt.
Kritik an Neom

Seit das Neom-Konzept 2017 erstmals vorgestellt wurde, hagelt es Kritik: Aktivisten haben eine Reihe von angeblichen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Megaprojekt angeprangert. Außerdem ist das Projekt für Umweltschützer ein Greenwashing-Albtraum – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Bauherren.
Weiterhin gibt es Bedenken hinsichtlich der Lebensqualität und Kritiker befürchten die totale Überwachung und Kontrolle der Bewohner des Megaprojekts. Nicht zuletzt zweifeln Experten grundsätzlich daran, dass das Projekt überhaupt durchführbar ist und die Arbeiten jemals abgeschlossen werden können. Und: Neom könne das ideale Ziel für Terroristen werden.
Öko-Vorzeigeprojekt oder Greenwashing?

Die vermeintliche Nachhaltigkeit von Neom hat für viel Kritik gesorgt. Das Megaprojekt wurde als zynischer Versuch der saudischen Behörden angeprangert, ihre nicht ganz so rosige Umweltbilanz schönzureden. Experten nennen eine ganze Reihe von Aspekten, die das angepriesene Ökoprojekt ins Gegenteil verkehren.
Philip Oldfield, Professor für Raum- und Stadtplanung an der University of New South Wales in Sydney, führte beispielsweise an, dass allein die enormen Umweltkosten von The Line jeglichen potenziellen Nutzen zunichte machen würden. Oldfield schätzt, dass beim Bau der Stadt 1,8 Milliarden Tonnen gebundener Kohlenstoff entstehen könnten, was fast drei Jahren der gesamten in Deutschland verursachten Emissionen entspricht.
Öko-Vorzeigeprojekt oder Greenwashing?

Greenpeace hat sich gegen Trojena ausgesprochen und hält das Skigebiet für gefährlich, da es dem lokalen Ökosystem großen Schaden zufügen würde und, ganz grundsätzlich, verschwenderisch und nicht nachhaltig sei – erneuerbare Energien hin oder her.
Öko-Vorzeigeprojekt oder Greenwashing?

Neoms Nachhaltigkeit hängt von einer Vielzahl neuer Technologien ab, wie die von erneuerbarer Energien betriebene Wasserentsalzung. Doch nicht alle dieser Technologien sind schon erfolgreich im Einsatz. Die grünen Ziele des Projekts stehen daher auf sehr wackligen Füßen.
Auch die Auswirkungen von Neom auf die Tierwelt müssen in Betracht gezogen werden. Hier bringt das Megaprojekt zwar auch Positives, wie z. B. die Schaffung des größten Korallengartens der Welt und andere Projekte zum Schutz von Riffen. Ein Bau dieser Größenordnung wird aber zweifellos Lebensräume und Ökosysteme verändern und schädigen.
Öko-Vorzeigeprojekt oder Greenwashing?

Experten sehen in der riesigen verspiegelten Fassade von The Line eine tödliche Gefahr für Millionen Zugvögel.
Umweltschützer machen sich auch Sorgen, dass durch das Projekt schädliche invasive Arten in Saudi-Arabien Fuß fassen könnten, da für das Megaprojekt große Mengen an importierten Pflanzen verwendet werden sollen.
Neoms Sicherheitsrisiken

Ein anderer Kritikpunkt betrifft das Thema Terrorismus. Es wird befürchtet, dass Neom zu einem Magneten für terroristische Aktivitäten werden könnte. Vor allem die U-Bahn-Strecke von The Line wird von Experten als besonders verwundbar eingestuft. Ein Angriff auf dieses alleinige Transportmittel könnte schließlich die gesamte Stadt für Monate lahmlegen.
Die Befürchtungen sind nicht unbegründet: Der Anführer der vom Iran unterstützten jemenitischen Huthi-Rebellengruppe, die für diverse Angriffe auf Schiffe im Roten Meer verantwortlich ist, hat laut dem Nachrichtenmedium „The New Arab“ bereits damit gedroht, Neom anzugreifen.
Massenüberwachung der Bevölkerung?

Datenschützer weisen darauf hin, dass die Massenüberwachung in Neom dystopische Züge annehmen könnte. KI-gestützte intelligente Technologie, einschließlich wahrscheinlich von China bezogene Gesichtserkennung, wird Bestandteil des Megaprojekts sein und ständig Daten über die Bewohner sammeln. Laut Access Now, einer Organisation für digitale Bürgerrechte, ist das eine beängstigende Idee. Denn in Saudi-Arabien gibt es keinen Datenschutz und keinerlei Aufsicht, die Menschen in dieser Hinsicht schützt. Eine Expertin für nachhaltige Städte hat in den Medien zudem vor dem Design von The Line gewarnt, dass eine monotone und gefängnisartige Atmosphäre befördern könnte.
Gescheiterte Megaprojekte

Einige Kritiker verweisen im Zusammenhang mit dem Erfolgspotenzial von Neom auf andere saudi-arabische Megaprojekte, die gescheitert sind: Der Jeddah Tower (im Bild) sollte das höchste Gebäude der Welt werden, bleibt aber ebenso unvollendet wie der King Abdullah Financial District, der ursprünglich Saudi-Arabiens Antwort auf das Dubai International Finance Centre sein sollte. Heute leben in der King Abdullah Economic City, einst geplant für zwei Millionen Einwohner, nur 10.000 Menschen.
Neom: Ein unrealistisches Projekt?

Sehr viele Experten halten es für unwahrscheinlich, dass Neom in seiner Gesamtheit jemals realisiert werden kann.
Der Klimawandel und die steigenden Temperaturen werden die Region für Menschen voraussichtlich unbewohnbar machen. Ein Siedlungsprojekt an einem so unwirtlichen Ort ist mehr als fragwürdig. Darüber hinaus ist ein Großteil der für das Megaprojekt erforderlichen Technologie noch nicht erprobt oder sogar noch gar nicht erfunden worden.
In einem Interview sagte etwa ein britischer Architekt, der an Neom arbeitet, dass seiner Meinung nach nur ein kleiner Teil des Projekts fertiggestellt werden könne.
Hat Neom eine Chance?

Andere Experten sind da optimistischer. Steffen Hertog, außerordentlicher Professor an der London School of Economics, meint hingegen, dass Neom durchaus verwirklicht werden könne. Denn das Projekt habe die volle Unterstützung der einzigen Person, die in Saudi-Arabien etwas zu sagen hat – Kronprinz Mohammed bin Salman. Laut Berichten sollen außerdem schon 20 Prozent des Megaprojekts fertiggestellt worden sein.
Gleichzeitig ist die Rede von Haushaltskürzungen und einer „Verkleinerung“ der königlichen Pläne, falls die Öleinnahmen ins Stocken geraten. Dazu kommt, dass die erhofften ausländischen Investitionen aufgrund der genannten Themen wie Menschenrechte, Ökologie, Datenschutz und die generelle Durchführbarkeit des Projekts ausbleiben. Alles in allem scheint es daher einigermaßen unwahrscheinlich, dass Neom jemals vollständig – und pünktlich – fertiggestellt wird.
Folgen Sie uns schon? Klicken Sie oben auf das Pluszeichen und lesen Sie mehr von loveMONEY
Comments
Be the first to comment
Do you want to comment on this article? You need to be signed in for this feature
Most Popular
Savings and ISAs Check if you’ve won big in the latest Premium Bond prize draw