BIP-Vergleich: Der Wohlstand vermeintlich reicher Länder im Realitätscheck
Wie reich sind diese Nationen wirklich?

So manches Land wirkt nach außen hin zwar sehr wohlhabend, die wirtschaftliche Realität sieht bei genauerem Hinsehen aber völlig anders aus. Auf der Grundlage des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf, das den tatsächlichen Wohlstand der Bevölkerung widerspiegelt, sehen Sie hier 13 Länder, die gar nicht so reich sind, wie Sie vielleicht dachten. (Die aktuellen Vergleichszahlen stammen von der Weltbank aus dem Jahr 2021.)
Nigeria, BIP pro Kopf: $ 2.066 (€ 1.935)

Nigeria ist Afrikas größte Volkswirtschaft und zählt zu den Top 30 der Welt. Das Land schwimmt im Öl und verfügt international über die zehntgrößten Reserven. Laut aktuellen Zahlen ist es auch der siebtwichtigste Exporteur des Rohstoffes. Die tausenden High-Net-Worth-Individuals (HNWIs) von Nigeria –Menschen mit mindestens einer Million US-Dollar (930.000 Euro) auf dem Konto – besitzen zusammen 207 Milliarden Dollar (192 Mrd. Euro). Aliko Dangote, der reichste Mann des Landes und Gründer des Zementherstellers Dangote Cement, hat laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ ein Vermögen von 13,5 Milliarden Dollar (12,6 Mrd. Euro) angehäuft – und ist damit gleichzeitig der reichste Mensch Afrikas.
Nigeria, BIP pro Kopf: $ 2.066 (€ 1.935)

Doch auch in Nigeria klafft die Kluft zwischen Arm und Reich extrem auseinander. Im Armuts-Ranking liegt das Land nach Indien an zweiter Stelle. Rund 70 Millionen Menschen (33 Prozent der Bevölkerung) leben unterhalb der Armutsgrenze von 382 Dollar (357 Euro) pro Jahr. Anstatt aus dem Ölreichtum des Landes Kapital zu schlagen, haben die vergangenen Regierungen das Geld verschwendet, auch Korruption ist weit verbreitet.
Indien, BIP pro Kopf: $ 2.257 (€ 2.113)

Indien hat laut den aktuellen Daten der Weltbank die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und übertrifft sogar große Wirtschaftsnationen wie Frankreich und Kanada. Das Land hat die vierthöchste Anzahl an Milliardären weltweit – laut einer Studie von Oxfam India vom 15. Januar sind es 166 – und verfügt über eine große wohlhabende Mittelschicht. Städte wie Mumbai rühmen sich mit hoch aufragenden Wolkenkratzern, und das Land verfügt auch über eine nationale Raumfahrtbehörde – beides klassische Anzeichen einer reichen Nation.
Indien, BIP pro Kopf: $ 2.257 (€ 2.113)

Doch die Kluft zwischen Arm und Reich unter den 1,4 Milliarden Einwohnern ist riesig. Armut ist in Indien weit verbreitet. Laut dem „World Poverty Clock“-Index leben 44 Millionen Menschen (rund drei Prozent der Gesamtbevölkerung) in extremer Armut und müssen pro Tag mit maximal 1,90 Dollar (1,78 Euro) auskommen. Weniger als die Hälfte der Menschen hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Kindersterblichkeit ist weiterhin erschreckend hoch.
Iran, BIP pro Kopf: $ 4.091 (€ 3.828)

Auf dem Papier wirkt der Iran wie ein unglaublich wohlhabendes Land. Er verfügt über die viertgrößten Öl- und die zweitgrößten Erdgasreserven der Welt. Dazu ist die Bevölkerung hoch gebildet und die Anzahl an HNWIs hat zuletzt sogar Saudi-Arabien übertroffen. Und dann ist da noch das Instagram-Profil „Rich Kids of Tehran“ mit einer halben Million Follower, das den verschwenderischen Lebensstil der jungen Elite des Landes präsentiert.
Iran, BIP pro Kopf: $ 4.091 (€ 3.828)

In Wahrheit ist der Iran jedoch ein armes Land, das seit der iranischen Revolution von 1979 strengen Sanktionen der USA und anderer Länder ausgesetzt ist. Der Mangel an Wettbewerb in der größtenteils staatlich geführten Wirtschaft und die weit verbreitete Korruption verstärken die Armut weiter. Die Einkommensunterschiede sind groß und laut Regierungsangaben lebt ein Drittel der Iraner unterhalb der Armutsgrenze. Darunter fallen all jene, die pro Monat nur 200 Dollar (187 Euro) zur Verfügung haben. Berichten zufolge soll die tatsächliche Anzahl jener, die in einer finanziellen Notlage sind, in Wahrheit rund 50 Prozent betragen.
Indonesien, BIP pro Kopf: $ 4.333 (€ 4.057)

Indonesien hat die größte Volkswirtschaft Südostasiens und ist Mitglied der G20-Gruppe, den reichsten Nationen der Welt. 2022 hatte das Land sogar den Vorsitz. Indonesien ist ein bedeutender Exporteur von Öl und Erdgas und das zehntgrößte Produktionsland der Welt. Die Hauptstadt Jakarta besteht aus zahlreichen Wolkenkratzern, modernen Einkaufszentren und weiteren Wohlstandsindikatoren.
Indonesien, BIP pro Kopf: $ 4.333 (€ 4.057)

Doch nicht alles in der Metropole ist Glitzer und Glamour. In Jakarta gibt es ganze 1.425 Armutsviertel. Tatsächlich leben knapp 20 Prozent der Bevölkerung von 3,20 Dollar (3 Euro) oder weniger pro Tag, mehr als die Hälfte muss mit maximal 5,50 Dollar (5,15 Euro) auskommen. Gleichzeitig hat Indonesien jedoch auch 191.103 Millionäre und belegt damit weltweit den 28. Platz – ein Beweis für die enormen Einkommensunterschiede im Land.
Ukraine, BIP pro Kopf: $ 4.836 (€ 4.526)

Betrachtet man die ukrainische Wirtschaft vor der russischen Invasion im Februar 2022, schien das Land viel wohlhabender zu sein, als es tatsächlich war. Dies lag an der Fülle an natürlichen Ressourcen, der hochgebildeten Bevölkerung und auch dem Status des Landes als führender Exporteur von landwirtschaftlichen Gütern und Rohstoffen. Die Ukraine war zudem einer der größten Anbieter von ausgelagerten IT-Dienstleistungen.
Ukraine, BIP pro Kopf: $ 4.836 (€ 4.526)

Dennoch war die Ukraine schon vor Kriegsbeginn gemessen am BIP pro Kopf das ärmste Land Europas. Die Einkommensunterschiede waren riesig, die Korruption hoch – eine Folge der Politik der vorherigen Regierung. Laut dem aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex von der Organisation Transparency International wird in Europa nur Russland als noch korrupter wahrgenommen. Die demokratische Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat viel dagegen unternommen. Tragischerweise wurde die Wirtschaft durch die russische Annexion der Krim im Jahr 2014 und den Konflikt im Donbass schwer getroffen. Laut dem Nachrichtensender CNN ist die ukrainische Wirtschaft im vergangenen Jahr infolge von Putins Angriffskrieg um mindestens 30 Prozent geschrumpft.
Südafrika, BIP pro Kopf: $ 7.055 (€ 6.607)

Afrikas zweitgrößte Volkswirtschaft hat einen der vielfältigsten und lukrativsten Agrarsektoren der Welt, sowie reichlich Mineralreserven, die von Diamanten und Gold bis hin zu Eisenerz und Kohle reichen. Dazu verfügt Südafrika über eine hochentwickelte Fertigungs- und Tourismusindustrie. Das Land hat mehr als 30.000 HNWIs – die höchste Anzahl in Afrika – und fünf Milliardäre.
Südafrika, BIP pro Kopf: $ 7.055 (€ 6.607)

Trotz dieser Wohlstandsindikatoren ist Südafrikas Pro-Kopf-BIP mit 7.055 Dollar (6.607 Euro) aber äußerst bescheiden. Dem Land kommt zudem die zweifelhafte Ehre zu, dass kaum anderswo die Kluft zwischen Arm und Reich so weit auseinandergeht. Während es sich die Elite gut gehen lässt, lebt die Mehrheit der Bevölkerung in bitterer Armut. Die riesigen Einkommensunterschiede sind nicht zuletzt eine Folge des Apartheidsystems, das zur Rassentrennung führte. Aber auch Korruption und Misswirtschaft der Regierung in den knapp drei Jahrzehnten nach Ende der Apartheid haben das ihrige dazu beigetragen.
Brasilien, BIP pro Kopf: $ 7.507 (€ 7.031)

Brasilien hat die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt, ist eines der weltweit führenden Bergbau-, Landwirtschafts- und Fertigungsländer und hat einen ständig wachsenden Dienstleistungssektor. Das Land belegt weltweit den 26. Platz bei der Anzahl an HNWIs und hat die siebthöchste Anzahl an Milliardären – insgesamt leben 65 in Brasilien.
Brasilien, BIP pro Kopf: $ 7.507 (€ 7.031)

Trotz dieser beeindruckenden Zahlen gilt es zu bedenken, dass sich das gesamte Vermögen des Landes in den Händen einer winzigen Elite befindet. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind extrem hoch. Laut der Charity-Organisation Oxfam besitzen die sechs reichsten Brasilianer dasselbe Vermögen wie die ärmsten 50 Prozent des Landes, das sind etwa 107 Millionen Menschen. Die brasilianische Wirtschaftsuniversität Fundação Getulio Vargas schätzt, dass 12,8 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und mit maximal 53 Dollar (49 Euro) pro Monat auskommen müssen – das sind 27 Millionen Menschen. Die Zahl dürfte während der Corona-Pandemie deutlich gestiegen sein.
Mexiko, BIP pro Kopf: $ 10.046 (€ 9.407)

Mexiko zählt zu den 15 größten Volkswirtschaften der Welt und hat ein BIP von mehr als einer Billion Dollar (936 Milliarden Euro). Seine Wirtschaft ist relativ gut entwickelt, Dienstleistungen machen zwei Drittel des BIP aus. Dazu hat die zentralamerikanische Nation zahlreiche äußerst reiche Bewohner, teilweise auch Milliardäre, darunter den Geschäftsmann Carlos Slim Helú.
Mexiko, BIP pro Kopf: $ 10.046 (€ 9.407)

Trotzdem ist Mexikos Pro-Kopf-BIP fast achtmal geringer als jenes des reichen Nachbarn im Norden. Ein Fünftel der Arbeitnehmer im Land sind in der Landwirtschaft beschäftigt, obwohl der Sektor nur einen winzigen Teil des gesamten BIP ausmacht. Bis zu 42 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, viele sind auf Geldüberweisungen von Familienmitgliedern im Ausland angewiesen. Auch die Einkommensunterschiede im Land sind ein großes Problem.
Malediven, BIP pro Kopf: $ 10.366 (€ 9.707)

Die Malediven haben sich als eines der weltweit führenden Reiseziele für Luxustourismus etabliert und sind ein Synonym für unvergessliche Urlaube. Der Tourismussektor macht stolze 75 Prozent des BIP des Inselstaates aus. 2019 erwirtschaftete er knapp 3,2 Milliarden Dollar (knapp 3 Mrd. Euro), doch während der Pandemie gingen die Gewinne stark zurück. Angesichts der relativ kleinen Bevölkerung des Landes – knapp 580.000 Menschen – könnte man meinen, dass es den Einwohnern trotz des Corona-bedingten Wirtschaftsminus gut gehen würde.
Malediven, BIP pro Kopf: $ 10.366 (€ 9.707)

In Wirklichkeit lebt jedoch fast ein Drittel der Bevölkerung in Armut. Der Bericht „Multidimensional Poverty Index for Maldives“ wurde 2020 vom nationalen Statistikamt erstellt. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem UNICEF-Regionalbüro Südasien, UNICEF Maldives und der „Oxford Poverty & Human Development“-Initiative durchgeführt.
Der Index berücksichtigte neben dem Einkommen auch Faktoren wie den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung und zeigte, dass acht Prozent der Einwohner der Malediven mit weniger als 4,79 Dollar (4,49 Euro) pro Tag auskommen müssen. Und da die Zahlen für diesen Bericht bereits 2016 und 2017 erhoben wurden, ist die Armutsquote seitdem mit Sicherheit gestiegen.
Kasachstan, BIP pro Kopf: $ 10.374 (€ 9.714)

Besucher von Kasachstans glänzender neuer Hauptstadt Nur-Sultan werden zweifellos von ihrer Pracht überwältigt sind. Die Stadt erweckt den Anschein, sich in einem der reichsten Länder der Welt zu befinden. Tatsächlich hat Kasachstan auf den ersten Blick eine florierende Wirtschaft, die durch reichlich vorhandene Bodenschätze und zahlreiche ausländische Direktinvestitionen gestützt wird.
Kasachstan, BIP pro Kopf: $ 10.374 (€ 9.714)

Obwohl Kasachstan nicht so extrem ist, wie es in den „Borat“-Filmen dargestellt wird, hat das autokratische Land noch einen langen Weg vor sich, um tatsächlich als wohlhabend zu gelten. Korruption ist weit verbreitet und das Vermögen ungerecht verteilt. Die Hälfte der Bevölkerung lebt in ländlichen, wirtschaftlich isolierten Gebieten mit schlechter öffentlicher Versorgung, niedrigen Löhnen und hat einen schlechten Lebensstandard.
Russland, BIP pro Kopf: $ 12.195 (€ 11.419)

Die Russische Föderation hat die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt, die vorrangig auf Öl- und Erdgasexporten basiert. Vor der russischen Invasion in der Ukraine lieferte die eurasische Nation rund zehn Prozent des weltweiten Erdöls, was gewaltige zwei Drittel ihrer Gesamtexporte ausmachte. Russland lieferte rund 40 Prozent des europäischen Erdgases. Die fossilen Brennstoffe sind für Russland, insbesondere für seine milliardenschweren Oligarchen und politische Elite, äußerst lukrativ.
Russland, BIP pro Kopf: $ 12.195 (€ 11.419)

Doch ähnlich wie seine militärische Stärke überschätzen viele auch Russlands Wirtschaftskraft. Da das Land vollständig vom Export von fossilen Brennstoffen abhängig ist, wird Russland durch die Sanktionen und den Übergang vieler Länder zu nachhaltigeren Energiequellen hart getroffen. Korruption ist ebenso weit verbreitet wie die Einkommensungleichheit. Das reichste ein Prozent des Landes kontrolliert 71 Prozent des Staatsvermögens. Rund 13 Prozent der Bevölkerung leben in bitterer Armut. Und selbst vor Corona und dem Ukraine-Krieg verdiente die Hälfte der arbeitenden Russen weniger als 550 Dollar (515 Euro) pro Monat.
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China, BIP pro Kopf: $ 12.556 (€ 11.754)

China hat das zweithöchste BIP der Welt und wird voraussichtlich bis 2037 die USA als größte Wirtschaftsmacht ablösen. Das Land hat die zweithöchste Anzahl an Millionären und Milliardären weltweit, mehr als die Hälfte der Bevölkerung zählt zur Mittelschicht. Zum Vergleich: 2000 waren es gerade einmal drei Prozent gewesen. China scheint auf den ersten Blick ein äußerst wohlhabendes Land zu sein, doch auch in diesem Fall ist nicht alles so, wie es von außen scheint.
China, BIP pro Kopf: $ 12.556 (€ 11.754)

Das Pro-Kopf-BIP der Volksrepublik liegt bei eher mageren 12.556 Dollar (11.754 Euro). Damit ist China eine sehr arme Nation, in der die Kluft zwischen Arm und Reich weit auseinandergeht. Hunderte Millionen der 1,4 Milliarden Einwohner leben in Armut. Nach offiziellen Angaben verfügen 600 Millionen Menschen (42 Prozent der Bevölkerung) über ein monatliches Einkommen von nur 141 Dollar (132 Euro).
Saudi-Arabien, BIP pro Kopf: $ 23.186 (€ 21.712)

Saudi-Arabiens Wirtschaft rangiert auf Platz 18 weltweit und damit vor wohlhabenden Ländern wie die Niederlande, Österreich und Singapur. Öl ist der größte Umsatzbringer der Nation – das Land im Nahen Osten ist der weltweit größte Exporteur. Es liefert mehr als 15 Prozent des weltweiten Rohöls, was dem staatlich kontrollierten Ölkonzern Saudi Aramco allein im dritten Quartal 2022 satte 42,4 Milliarden Dollar (39 Mrd. Euro) einbrachte.
Saudi-Arabien, BIP pro Kopf: $ 23.186 (€ 21.712)

Trotz seines Ölreichtums hat Saudi-Arabien jedoch kein besonders hohes BIP pro Kopf. Wie in den anderen Ländern auf dieser Liste sind auch hier die Einkommensunterschiede groß und ein Großteil des Reichtums liegt in der Hand der Mitglieder des regierenden Hauses Saud. Ein Fünftel der Bevölkerung lebt in Armut und die Mehrheit der Saudis muss sich mit veralteten sanitären Einrichtungen und Wohnungen sowie mangelhafter Gesundheitsversorgung und schlechten Bildungsmöglichkeiten abfinden.
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