Wohnen im ehemaligen Schutzbunker aus dem Kalten Krieg? Das mag sich zunächst einmal befremdlich, dunkel und ungemütlich anhören. Nicht so aber für Tristan Tiedtke.
Der Geschichtslehrer aus Nordrhein-Westfalen erkannte das Potenzial eines stillgelegten Bunkers nahe der niederländischen Grenze, kaufte das verfallene Militärgebäude und baute es um. Heute lebt er in einem schicken Haus im Industriestil.
Wie aus einem alten Bunker aus dem Kalten Krieg eine geniale Trendimmobilie wurde, das sehen Sie hier.
Adaptiert von Christiane Mentz
Tiedtkes Bunker-Abenteuer beginnt 2014, als der Geschichtslehrer seine Stelle an einer Schule im nordrhein-westfälischen Kevelaer antritt. Er komme ursprünglich aus Mülheim an der Ruhr, das etwa eine Autostunde entfernt liegt und wollte nicht jeden Tag so weit pendeln, sagt Tiedtke uns in einem Interview. Als er auf der Suche nach einer Wohnung oder einem kleinen Haus in dem Ort nahe der niederländischen Grenze war, fand er stattdessen zwei Luftschutzräume. „Nach der Besichtigung war die Idee für den Umbau geboren.“
Die beiden Bunker, die der Geschichtslehrer damals besichtigte, waren zwar bereits umgebaut, die Gestaltung entsprach aber nicht seinen Vorstellungen. Also machte sich Tiedtke auf die Suche nach einem Schutzbunker, den er ganz nach seinen eigenen Wünschen umbauen konnte. Es war schließlich sein Vater, der auf der Homepage einer örtlichen Immobilien-Website einen leer stehenden Bunker fand. „Nach der Besichtigung beschloss ich, ein Angebot zu machen“, so Tiedtke.
Er zahlte damals 100.000 Euro für das Bunkergebäude, was heute etwa 129.000 Euro entsprechen würde. Das Grundstück befindet sich auf einem alten Munitionsdepot im Kevelaer Ortsteil Twisteden, auf dem sich noch 325 weitere ähnliche Bauten befinden.
Das Munitionsdepot mit den Bunkeranlagen wurde von der NATO in den 1980er-Jahren während des Kalten Krieges gebaut, als man sich auf einen möglichen Dritten Weltkrieg einstellte.
Nach Angaben des Chefs des Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, in einem Interview mit den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ gab es in der Zeit deutschlandweit etwa 2.000 Bunker, von denen heute nur noch rund 600 als Schutzräume vorhanden sind.
Kein anderes Land in Westeuropa beherbergte während des Kalten Krieges mehr Streitkräfte als die BRD. Auch die Frequenz der Militärübungen auf westdeutschem Boden war vergleichsweise überdurchschnittlich hoch, befand sich das Gebiet der Bundesrepublik doch unmittelbar zwischen den Fronten von Ost und West.
Die in Twisteden errichtete Bunkeranlage galt als wichtiger Stützpunkt für die NATO und diente als Munitionslager. Man wollte im Falle eines Angriffs gut vorbereitet sein.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 hatte die deutsche Regierung keine Verwendung mehr für den Bunkerkomplex und verkaufte ihn an eine Investorengruppe.
Es entstand der Traberpark Den Heyberg – eines der größten Trainingszentren für Trabrennpferde in Europa. Ferner wurden einige der Bunker in Ferienwohnungen umgewandelt und andere werden als Lagerhallen genutzt. Auf dem ehemaligen Militärgelände befindet sich mittlerweile sogar ein Ausflugslokal.
Dieses Bild zeigt den Zustand von Tiedtkes Bunker, als er ihn 2014 erwarb.
Bei der Schlüsselübergabe befand sich Tiedtkes Bunker Nummer 35 überwiegend noch in seinem ursprünglichen Zustand. „Die Vorbesitzer hatten versucht, den Bunker zu renovieren, aber ihnen ging schnell das Geld aus“, erklärt der Geschichtslehrer. Sie hatten die ursprüngliche Isolierung entfernt und legten die Stahl- und Betonstruktur im Inneren frei.
Auch die Stellen für die Fenster waren bereits markiert, aber eingebaut wurden sie nie. Dies war also eine der ersten Amtshandlungen des neuen Besitzers.
Im Inneren des Bunkers hatte der frühere Eigentümer eine Reihe von Ziegelwänden errichtet, um den großen Raum zu unterteilen. Dieses Bild zeigt den Bunker, kurz bevor Tiedtke mit der Renovierung begann.
Sein primäres Ziel war es, den Bunker erst einmal bewohnbar zu machen. Daher konzentrierte er sich vorerst auf die wesentlichen Arbeiten, um sich später dem Dach, der Fassade und dem Garten widmen zu können.
Für den Umbau heuerte der Lehrer verschiedene Bauunternehmen an, da er nach eigenen Aussagen kein Heimwerker-Talent ist: „Ich habe mehrere Unternehmen mit den Arbeiten beauftragt, aber den Renovierungsplan habe ich selbst erstellt und mich strikt daran gehalten.“
Tiedtke übernahm die Rolle des Projektleiters und überwachte jede einzelne Phase des Umbaus. Eine der ersten Aufgaben bestand darin, die nachträglich eingezogenen Wände zu entfernen, um den Innenraum zu öffnen. Des Weiteren ließ er das Gebäude isolieren und danach neu verputzen.
Die Vorbesitzer hatten den Bunker bereits an die örtliche Wasser- und Stromversorgung angeschlossen, was die Renovierungsarbeiten wesentlich erleichterte.
Die erste Renovierungsphase konnte nach nur sechs Monaten abgeschlossen werden. In dieser Zeit entstand ein offener Wohnbereich mit Küche, ein Büro, zwei Schlafzimmer und ein Bad, um den Bunker vorerst bewohnbar zu machen.
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Tiedtke hat für die erste Phase der Bunkerrenovierung nach eigenen Angaben rund 150.000 Euro ausgegeben. Seitdem wurden noch weitere Umbauten durchgeführt, wodurch die Kosten sich jetzt auf insgesamt rund 250.000 Euro belaufen dürften, schätzt der Hobbyhandwerker.
Nach dem Einzug in sein neues Heim konnte sich der Lehrer der Optik des Anwesens widmen: „Ich habe die Fassade in Angriff genommen und am Garten gearbeitet. Doch 100 Prozent fertig bin ich bis heute nicht.“
Der Bunker wurde mit einem Gerüst versehen, um die Außenwände zu erneuern und das Gebäude wasserdicht zu machen. Danach erhielt das Ganze noch einen frischen Anstrich.
Auch das Dach des Bunkers wurde erneuert. Da Gebäude über ihre Dächer viel Wärme verlieren können, ist eine gute Isolierung unerlässlich. Es wurden Dämmplatten verlegt und alle Luftzwischenräume mit expandierendem Isolierschaum aufgefüllt.
Anschließend wurde das Dach mit einem MEM-Isolieranstrich versehen. Dieser besteht aus einer Bitumen-Latex-Mischung und schützt Beton und Mauerwerk, das mit Erde in Berührung kommt. Der Bauherr ließ das Dach nämlich begrünen, um den Bunker optisch an die anderen Schutzräumen anzupassen.
Sind Sie nun bereit, einen Blick auf das fertige Bunker-Haus zu werfen?
Die viele Arbeit hat sich für Tiedtke gelohnt: Der kantig geformte Bunker mit den steil abfallenden Wänden ist heute ein schickes Zuhause.
Die ursprüngliche sprengstoffsichere Stahltür behielt ihren alten Platz, während ein vollständig verglaster Eingang viel Licht in das neu renovierte Innere strömen lässt.
Das einst baufällige Innere des Bunkers ist kaum wiederzuerkennen: Auf 130 Quadratmetern erstrecken sich helle, moderne Räumlichkeiten, die dem Komfort eines normalen Wohnhauses in nichts nachstehen.
Das Zentrum des Bunker-Hauses ist der offen gestaltete Wohn-Essbereich mit seiner vier Meter hohen Decke und den freiliegenden Balken, die die Geschichte des Hauses auch im Inneren vergegenwärtigen.
Hier finden sogar ein Billardtisch, eine Bar, ein Klavier und eine Kaffeestation Platz.
Die schlichte Inneneinrichtung orientiert sich an einem industriellen Stil und ist in den Farben Weiß, Grau und Anthrazit gehalten. Perfekt für den Geschichtslehrer aus dem Ruhrgebiet.
Tiedtke ließ es sich nicht nehmen, auch ein paar Gegenstände aus anderen Epochen in seinem Bunker zu platzieren – darunter Helme römischer Soldaten.
Die Büroecke hebt sich stilistisch vom Rest des Hauses ab. Den alten Schreibtisch hatte er nicht hergeben wollen, sagt Tiedtke. „Deshalb gibt es einen klaren stilistischen Unterschied zwischen diesem Teil des Bunkers und dem Rest der Einrichtung. Aber für mich als Geschichtslehrer ist das ein schöner Kontrast.“
Das Äußere des Bunkers spiegelt sich in der minimalistischen Kücheneinrichtung wider. Tiedtke wählte eine Arbeitsplatte aus Beton und entschied sich für klassisch weiße Schränke. Zudem ziert ein großes „Bunker 35“-Schild die Küchenwand.
Der Bunker verfügt über zwei große, lichtdurchflutete Schlafzimmer und die Terrassentüren führen direkt in den Garten. Auch hier setzt Tiedtke mit eleganten schwarzen Möbeln und weißen Wänden wieder auf eine monochrome Farbpalette.
Im Bunker-Haus können bis zu sechs Personen untergebracht werden.
Das moderne Badezimmer ist mit einem handgefertigten Waschtisch und einer begehbaren Dusche ausgestattet. Stilistisch passt der Raum perfekt zum Rest der Einrichtung.
Wie geplant, gestaltete Tiedtke auch den Außenbereich neu und Glastüren führen auf eine große Terrasse. In einem windgeschützten Außenbereich hat er selbst gebaute Palettenmöbel aufgestellt und kann hier sogar an regnerischen Tagen Gäste empfangen.
Doch die Arbeit am Bunker ist für Tiedtke noch längst nicht beendet: „Der nächste Schritt wird sein, Solarzellen auf dem Dach zu installieren. Außerdem würde ich den Bunker gern mit einer Sauna und einem Pool für meine Gäste noch attraktiver gestalten.“
Der Geschichtslehrer ist von seinem Haus begeistert. Wenn er mal unterwegs ist, vermietet er seinen Bunker über Airbnb an Touristen.
Für den Lehrer war die Renovierung des Bunkers ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Es sei anstrengend gewesen, aber es habe sich gelohnt, sagt er.
Für alle, die ein ähnliches Projekt umsetzen wollen, hat Tiedtke noch einen Rat: „Man sollte seine Träume und Ziele immer verfolgen – egal, wie unrealistisch sie auf andere auch wirken mögen.“
Tiedtke hat das Renovierungsfieber gepackt: Vor Kurzem hat er ein Haus aus dem 18. Jahrhundert in Kevelaer gekauft und ist jetzt dabei, es zu restaurieren, um es anschließend an Touristen zu vermieten. „Ich habe großen Gefallen daran gefunden, ein Ferienhaus zu betreiben“, berichtet er.
Ferner hofft er, einen weiteren Bunker auf dem ehemaligen Militärgelände kaufen und renovieren zu können. Derzeit stehe allerdings nur wenig zum Verkauf, was seinem Budget entsprechen würde. Das hindert ihn aber nicht daran, Zukunftspläne zu schmieden: Auch ein Hobbit-Haus steht auf der Wunschliste. Wir dürfen also gespannt sein, mit welchem Projekt uns Tristan Tiedtke als Nächstes überrascht.
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