Hongkong zählt zwar zu den wohlhabendsten Metropolen der Welt, jedoch hat die auf einem schmalen Küstenstreifen angesiedelte ehemalige britische Kolonie in China mit akuter Wohnungsnot zu kämpfen. Die starke Wirtschaft Hongkongs zieht immer mehr Menschen an. Die inzwischen mehr als sieben Millionen Einwohner der Sonderverwaltungszone auf nur rund 1.100 Quadratkilometern unterzubringen, erfordert also außergewöhnliche Maßnahmen – die zum Teil schockieren.
Hier entdecken Sie, wie die Ärmsten in der teuersten und einer der überfülltesten Städte der Welt in winzigen Sargzimmern und Wohnkäfigen leben und wie moderne WGs die Wohnungsnot beheben sollen.
Adaptiert von Sandra Schröpfer und Tascha Walker Dean
Laut einer aktuellen Studie der Beratungsfirma Mercer, die die Lebenshaltungskosten in Metropolen weltweit vergleicht, führt Hongkong derzeit die Liste der teuersten Städte an – vor allem in Bezug auf den Immobilienmarkt.
Nach offiziellen Angaben lag der schwindelerregende Durchschnittspreis einer Wohnung in Hongkong im ersten Quartal 2024 bei umgerechnet 17.000 Euro pro Quadratmeter.
Und das ist schon niedriger als noch vor ein paar Jahren, was vor allem auf die anhaltende Wohnungsnot in Hongkong und den Rückgang der Nachfrage aufgrund der exorbitanten Preise zurückzuführen ist.
Trotz der Wohnungsnot in Hongkong gibt es für Superreiche jede Menge Luxuswohnungen. Wegen der vielen Einwohner sind jedoch selbst kleine Apartments für Normalverdiener unerschwinglich geworden.
Eine Analyse der Schweizer Großbank UBS ergab, dass es einen qualifizierten Dienstleister mehr als das zwanzigfache seines durchschnittlichen Jahresgehalts kosten würde, um eine 60-Quadratmeter-Wohnung zu kaufen.
Im Februar 2021 wurde eine Luxuswohnung im Wohnprojekt 21 Borrett Road von CK Asset Holdings für umgerechnet rund 52,8 Millionen Euro verkauft. Bei einer Wohnfläche von knapp 314 Quadratmetern entspricht der Quadratmeterpreis damit mehr als 168.000 Euro – ein neuer Rekord auf dem asiatischen Immobilienmarkt.
Der vorherige Rekord hatte bei einem Quadratmeterpreis von 150.000 Euro gelegen, als im November 2017 ein Haus mit vier Schlafzimmern für knapp 138,2 Millionen Euro verkauft worden war.
Sowohl für Mieter als auch für Käufer ist die gefragteste – und damit auch teuerste – Gegend in Hongkong der Peak-Bezirk. Wie der Name andeutet, handelt es sich um den höchsten Punkt der Hauptinsel, von dem aus man eine spektakuläre Aussicht auf die Stadt hat.
In dem Viertel mit maritimem Flair sind die Mieten etwa drei- bis viermal so hoch wie in den ebenfalls teuren Städten New York oder London.
Wer genug Geld hat, findet über Makler wie Sotheby's noch immer genügend große Immobilien in dieser dicht besiedelten Stadt. Dieses über 400 Quadratmeter große Luxusapartment mit fünf Schlafzimmern im Peak-Bezirk zum Beispiel stand 2024 für umgerechnet 78,4 Millionen Euro zum Verkauf. Es hat sogar zwei Terrassen (eine davon auf dem Dach) und einen privaten Garten.
Luxusimmobilien sind für diejenigen, die es sich leisten können, immer verfügbar, aber in Hongkong steigt die Nachfrage nach Luxus in kleinerem Maßstab.
Diese schmale Wohnung befindet sich in einem neuen Immobilienprojekt im Stadtteil Kowloon in Hongkong. Die stark beengte Finanzmetropole steht regelmäßig auf Platz eins für am wenigsten erschwingliche Wohnungen der Welt.
Platzmangel wird in Hongkong immer ein Problem sein, was allerdings nicht bedeutet, dass man sich auf so wenig Wohnraum nicht wohlfühlen kann. Immobilienentwickler wenden sich immer häufiger an Innendesigner, um die Mikrowohnungen für ihr wohlhabendes Klientel elegant zu gestalten.
Bei dieser Nachbildung eines Miniapartments im Wohnprojekt The Met. Azure auf der Insel Tsing Yi in Hongkong wird deutlich, dass ein cleveres Design das A und O bei Platzmangel ist. So lässt sich auch auf nur 19 Quadratmetern ein gemütliches Zuhause einrichten.
Im Februar 2024 reichten die Preise für die Apartments in der Wohnanlage von 726.000 Euro bis hin zu 1,1 Millionen Euro.
In dieser Miniwohnung hat man sich an allen erdenklichen Designtricks bedient, um dem kleinen Raum einen Hauch von Luxus zu verleihen.
Das 21-Quadratmeter-Apartment befindet sich im Soyo-Wohngebäude in dem Stadtteil Mongkok. Seit die Immobilien des Wohnprojekts 2022 erstmals zum Verkauf standen, erzielen sie Preise von bis zu 703.000 Euro.
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Hier ist das Zuhause von Adrian Law, der 2018 in der Finanzbranche arbeitete, zu sehen. Das Bett lässt sich tagsüber in einer Schrankwand verstauen. Für das kleine Studio-Apartment in einem Neubau im gentrifizierten Stadtteil Sai Ying Pun bezahlte Law 2016 umgerechnet knapp 691.000 Euro.
Diese Wohnsituation ist nicht ungewöhnlich. Da die Immobilienpreise in Hongkong weiter steigen, wohnen Berufsanfänger wie Law auf immer engerem Raum. Die schuhkartongroßen „Nano-Wohnungen“ und Wohngemeinschaften werden als moderne Lösungen für die Wohnungsnot angepriesen.
In der Stadt wollen nicht nur Superreiche wohnen, sondern auch Normalverdiener. Doch wie können die sich die Immobilienpreise leisten? Eine Wohnung im Hochhausblock ist die üblichste Wohnform, kann allerdings ziemlich beengt und überfüllt sein. Noch dazu nutzen viele Vermieter die Wohnungsnot der Mieter aus.
Die Standardgröße eines Apartments ist im Vergleich ziemlich klein, vor allem in beliebter Innenstadtnähe. Zwar verfügen die meisten Wohnungen über einen Balkon, doch von dem kann man oft nur in die Nachbarwohnung schauen.
Viele Menschen sind zwar die Nähe zu Menschen sowie kleine Räume gewohnt, doch es gibt auch Wohnformen, die besonders schockierend sind ...
In den vergangenen Jahren sind immer wieder schockierende Bilder von Bewohnern sogenannter „Coffin Homes“ (zu Deutsch: Sargzimmer) aufgetaucht – beengte Wohnungen, die an einen Sarg erinnern. Schätzungen zufolge leben etwa 200.000 Menschen in Hongkong unter solchen Bedingungen.
Die „Apartments“ sind in der Regel größere Einheiten, die in so kleine Bereiche aufgeteilt sind, dass deren Bewohner nicht einmal richtig die Beine ausstrecken können. Dennoch kosten diese winzigen Schlafzellen mehrere hundert Euro pro Monat.
2016 arbeitete die Hongkonger Menschenrechtsorganisation SoCO (Society for Community Organization) mit dem Fotografen Benny Lam zusammen, um die Probleme des Immobilienmarktes der Stadt an die Öffentlichkeit zu tragen.
Zwischen 2012 und 2015 hatte Lam erschütternde Bilder von den Lebensbedingungen in Hongkong aufgenommen, darunter auch die Sargzimmer.
Eine 37-Quadratmeter-Wohnung wird häufig so unterteilt, dass verschlossene Doppelstockbetten für rund 20 Personen hineinpassen. Manchmal sind die Schlafplätze nur durch Holz oder Draht voneinander abgetrennt. Küche und Toilette haben eine ähnliche Größe und müssen von den Bewohnern geteilt werden.
Sogar in der Corona-Pandemie mussten viele Menschen in solch klaustrophobischen Zuständen ausharren.
Angesichts dieser erschreckenden und oftmals gefährlichen Bedingungen ist es schwer nachzuvollziehen, weshalb die Regierung von Hongkong nicht bereits mehr gegen die Wohnungskrise unternommen hat.
Es wurden zwar kleinere Maßnahmen ergriffen, um den sozialen Wohnungsbau zu fördern und die Mieten zu kontrollieren, aber bislang haben sie wenig zur Lösung des Problems beigetragen. Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist nach wie vor ein ernstes Problem in der Millionenstadt.
Die Immobilienpreise in Hongkong sind so extrem gestiegen, dass die ärmsten Bewohner der Stadt sogar in winzigen Drahtkäfigen schlafen. Die rasante Zunahme neuer Luxusentwicklungen hat allerdings dazu geführt, dass immer mehr alte Häuserblocks mit solchen Wohnkäfigen verschwinden und deren Bewohner vertrieben werden.
Hier im Bild ist Leung Shu neben seinem Wohnkäfig zu sehen, der sich auf einer Etage mit vier weiteren solcher Behausungen befindet. Da alte Wohngebäude wie das von Shu zunehmend von Immobilienentwicklern aufgekauft werden, müssen Tausende von Menschen, die in den nur 1,4 Quadratmeter großen Käfigen wohnen, ihr Zuhause räumen.
Wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Gefängniszelle in Hongkong sieben Quadratmeter misst, erscheinen diese Lebensbedingungen noch schockierender.
Hier entspannt ein älterer Bewohner auf seinem Etagenbett, das von der Menschenrechtsorganisation SoCO gespendet wurde. Schätzungen zufolge leben immer noch etwa 1.000 Menschen in diesen menschenunwürdigen Verhältnissen in alten Mietskasernen, während sich Hongkongs Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert.
Diese fast unwirtliche Situation hatte sich in der Corona-Krise noch einmal verschärft, da es unter diesen beengten Lebensbedingungen fast unmöglich war, auf Abstand zu gehen.
Die extrem beengten Lebensbedingungen in diesen städtischen Slums demonstrieren, welch katastrophales Ausmaß die Wohnungsnot in Hongkong angenommen hat – ein radikaler Gegensatz zu den Luxusapartments der Reichen.
Doch inzwischen tun sich immer mehr Studenten, Reisende und Jungunternehmer zu Wohngemeinschaften zusammen, um sich eine erschwingliche und menschenwürdige Unterkunft leisten zu können.
Mit anderen Menschen zusammenzuwohnen, ist eine gängige Praxis. Sogar Banker nehmen sich inzwischen ein Beispiel an Studenten und bewerben sich für Neubauwohnungen in der Stadt, die in der Regel mit drei bis vier Personen geteilt werden.
Campus ist eine geschmackvoll eingerichtete Wohngemeinschaft im Stadtteil Tsuen Wan. Vier Personen teilen sich hier ein Zimmer, wobei sich die Betten in den Gemeinschaftsräumen befinden, damit es immer gesellig zugeht.
Jeder Schlafplatz hat verschließbaren Schubladen, verfügt über Regale und eine Kleiderstange. Hinzu kommt eine Leselampe am Bett und ein Schreibtisch mit Stuhl. Wer sich mehr Privatsphäre wünscht, kann einfach die Vorhänge zuziehen.
Die Wohngemeinschaft ist als Langzeitunterkunft gedacht, was für Studenten besonders attraktiv ist. Als Highlights gibt es für die Bewohner einen Swimmingpool und ein Fitnessstudio. Ein Shuttle-Bus bringt sie zu allen wichtigen Orten in Hongkong.
Damit ein Gemeinschaftsgefühl in der WG aufkommt, bemüht sich Campus um gemeinsame Aktivitäten und organisiert Gruppenveranstaltungen wie etwa Filmabende oder Bootsausflüge.
Das zieht normalerweise auch Reisende aus anderen Ländern an, die für ein authentisches Erlebnis in Hongkong gerne in der WG übernachten.
Der Bedarf nach erschwinglichem Wohnraum hat zu erfinderischen Lösungen geführt. Für die Mikrowohnungen des OPod Tube House wurden zum Beispiel die alten Wasserrohre der Stadt umfunktioniert.
Das Wohnprojekt basiert auf einer Idee des Architekten James Law und die kleinen Apartments werden in die stillgelegten Betonrohre gebaut. Es soll vor allem jungen Einwohnern einen preisgünstigen Wohnraum bieten. Doch damit nicht genug ...
Die Mietkosten für die Mikrowohnungen sollen bei umgerechnet etwa 345 Euro im Monat liegen, so Law. Und diese sollen geschickt verwaltet werden.
Ein Drittel würde die Verwaltungskosten decken, erzählte der Architekt der britischen Zeitung „The Guardian“ im Jahr 2018. Der Rest würde für die jungen Mieter angelegt werden. Nach Ende des Mietvertrags würden die Bewohner das Geld dann zurückerhalten, um sie auf ihrem weiteren Weg zu unterstützen.
Jedes der knapp über neun Quadratmeter großen Rohrhäuser ist mit einem Bett, einem kleinen Kühlschrank, Regalen und einem kleinen Badezimmer ausgestattet.
Law hat OPod-Einheiten für Städte in ganz China und auch im kanadischen Vancouver geplant. Ob diese Entwürfe tatsächlich in die Tat umgesetzt wurden, ist derzeit allerdings unklar.
Der Designer und Künstler Kacey Wong schuf dieses Häuschen auf Rädern als Alternative zu den typischen Lebensweisen in Hongkong. Das „Wandering House“ (zu Deutsch: Wanderndes Haus) ist knapp über einen Quadratmeter groß und auf einem Dreirad gebaut, die man oft auf dem chinesischen Festland sieht.
Ursprünglich hatte Wong das Heim für sich selbst konzipiert, erkannte darin später aber eine mögliche Lösung für Wohnungslose in Hongkong.
Auf seiner Website schreibt Wong, das Projekt erforsche die Idee des minimalen Wohnens und solle dazu anregen, „über unsere Lebensbedingungen in der Stadt nachzudenken.“
Er hat zahlreiche weitere Wohnmodelle entworfen, darunter ein Minihaus, das auf Fässern und Reifen im Meer schwimmt.
Fest steht: Für ein so monumentales Problem wie den Wohnungsmangel in Hongkong braucht es eine große Lösung. Nun will man die Situation mit dem Projekt „Lantau Tomorrow Vision“ in den Griff bekommen. Östlich von Lantau Island (im Bild) sollen 17 Quadratkilometer Land in Form von künstlichen Inseln aufgeschüttet werden.
Als das Projekt, auch bekannt als „Kau Yi Chau Artificial Islands“, 2018 erstmals angekündigt wurde, waren zwischen 260.000 und 400.000 Wohnungen für bis 1,1 Millionen Menschen geplant. Die Arbeiten sollten im Jahr 2025 beginnen, doch könnte sich der Baubeginn um zwei bis drei Jahre verzögern.
Zudem ist das Projekt umstritten. Aufgrund der geschätzten Kosten von bis zu knapp 72 Milliarden Euro wird befürchtet, dass es sich als Investitionsruine entpuppen könnte und auch von Umweltschützern hagelt es Kritik. Ob das Milliardenprojekt also jemals in die Tat umgesetzt wird, bleibt abzuwarten …
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